Am heutigen Platz der Republik, in unmittelbarer Nachbarschaft des Pulverturms, steht das Obecní dum, das Prager Gemeinde- oder auch Repräsentationshaus. Bis zum Abriss in den Jahren 1902 bis 1903 befand sich an dieser Stelle der Königshof, die ehemalige Residenz der böhmischen Könige, errichtet von Wenzel IV. um etwa 1380. Später diente die Residenz als erzbischöfliches Seminar und als Kaserne des Militärs. Das Gemeindehaus entstand im für die Zeit typischen Jugendstil zwischen 1905 und 1911.
Die Geschichte des Gemeindehauses
Für die Neubebauung des Areals schrieb die Stadt Prag einen Architekturwettbewerb aus, den die beiden Baumeister Antonín Balánek und Osvald Polívka gewannen, wobei letzterer vor allem für den Innenausbau verantwortlich war. Das Gemeindehaus sollte ein Zentrum des tschechischen Kulturlebens werden und ein Gegengewicht zum nahe gelegenen Deutschen Haus und Kasino bilden, was in den folgenden Jahren auch eintrat.
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Darüber hinaus war das Gemeindehaus Zeuge bedeutender geschichtlicher Ereignisse. Unter anderem wurde hier am 28. Oktober 1918 die Tschechoslowakische Republik ausgerufen, deren erstes Parlament ebenfalls in den Räumlichkeiten tagte. Einige Jahrzehnte später, im Jahr 1989 trafen sich Vertreter des Bürgerforums unter Vorsitz von Václav Havel mit Mitgliedern der kommunistischen Regierung zu einem ersten Gespräch im Zuge der so genannten Samtenen Revolution, die den Übergang zur Demokratie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs markierte.
Treffpunkt des Prager Kulturlebens
Die erste Blütezeit als kulturelles Zentrum erlebte das Gemeindehaus in den 1920er und 1930er Jahren. Bälle, Feste, Kunstausstellungen, Tagungen von Berufsverbänden, Vereinen und anderen Organisationen wechselten miteinander ab. In den Cafés, Restaurants und Bars traf sich die Elite der Hauptstadt. Auch heute ist das Obecní dum eine hochkarätige Adresse für Konzerte, Ausstellungen und Veranstaltungen aller Art, zum Beispiel im Rahmen des Festivals Prager Frühling. Außerdem hat das Prager Symphonieorchester hier seinen Sitz.
Daten und Fakten zum Gemeindehaus
Das Grundstück, auf dem das Gemeindehaus steht, umfasst rund 14.000 m², davon sind etwas mehr 4.200 m² bebaut. Sein Raumvolumen beträgt ca. 14.000 m³, die sich auf 1.240 Räume verteilen. Die beiden seitlichen Trakte des Gebäudes bilden einen spitzen Winkel und werden in der Mitte verbunden durch ein üppig ausgeschmücktes Portal mit Balkon und einem halbkreisförmigen Bogen. Über allem erhebt sich die abschließende Kuppel mit ihrem Kupferdach. Auch wenn das Gebäude dem Jugendstil zugerechnet wird, weist die Fassade noch deutliche Anklänge an die Neorenaissance und den Neobarock auf.
Eine technische Meisterleistung im Dienste der Kultur
Wesentlich interessanter als die Fassade ist das reichhaltige Innenleben des Repräsentationshauses. Hier haben nicht nur zahlreiche bekannte Künstler der Jahrhundertwende ihre Spuren hinterlassen. Auch die reinen Ingenieurleistungen waren für die damalige Zeit in Europa ziemlich einzigartig. So gab es beispielsweise 28 Aufzüge mit elektrischem oder hydraulischem Antrieb, eine hochmoderne Telefonzentrale, eine Rohrpost, verschiedene Räume für die Kühlung von Lebensmitteln und für die Eiserzeugung, ein fernbedienbares Lüftungssystem sowie eine der größten elektropneumatischen Orgeln auf dem Gebiet der damaligen Monarchie.
Was die künstlerische und kunsthandwerkliche Ausstattung angeht, ist es ein vergebliches Unterfangen, in dem hier vorgegebenen Rahmen alle Details zu beschreiben. Das Interieur des Gemeindehauses bietet eine derartige Vielfalt an Malereien, Skulpturen, Reliefs, Keramiken und anderen Schöpfungen, dass man Tage über Tage dort zubringen kann, um alles zu entdecken.
Was Sie auf keinen Fall verpassen sollten
Es gibt allerdings einige Treffpunkte im Gemeindehaus, die Sie als Prag-Besucher in der Gegenwart auf gar keinen Fall verpassen sollten. Dazu gehören das französische Restaurant, das Jugendstil-Restaurant, das Jugendstil-Kaffeehaus und natürlich der Smetana-Saal.
Der Smetana-Saal
Der nach dem wohl bekanntesten tschechischen Komponisten Bedrich Smetana („Die Moldau“) benannte Saal ist mit seinen fast 900 m² der zentrale Raum im gesamten Gebäude. Neben dem figuralen Deckengemälde prägen ihn vor allem zahlreiche Stuckverzierungen, Spiegel, Bleiglasfenster und Textilien aus der Zeit des Jugendstils. Der Saal bietet Platz für 1.259 Besucher und ist bis heute der hauptsächliche Auftrittsort des Symphonieorchesters Prag.
Französisches Restaurant
Die französische Küche setzt nicht nur Maßstäbe in ihrem Heimatland. „Francouzska Restaurace“ ist ein Begriff auch in Tschechien. Das Lokal, gestaltet im Prager Jugendstil, überzeugt durch sein Ambiente, sein Speisen- und Getränkeangebot, seine Live-Jazz- und Klaviermusik. Da es ein sehr frequentierter und gern aufgesuchter Ort ist, empfehlen wir dringend, einen Tisch zu reservieren.
Jugendstil-Kaffeehaus
Das Kavárna Obecní dum gehört zweifellos zu den schönsten Kaffeehäusern in Prag. Hier genießen Sie im Erdgeschoss des Gemeindehauses köstliche Süßspeisen, kleine Snacks und diverse Speisen der typisch tschechischen sowie der internationalen Küche in einem einzigartigen Ambiente.
Jugendstil-Restaurant „Plzenská restaurace“
Das Obecní dum verfügt auch über ein Souterrain, in dem ein tschechisches Restaurant par excellence seinen Platz hat. Das „Plzenská restaurace“, im allerfeinsten Jugenstil eingerichtet, bietet traditionelle tschechische Spezialitäten und exquisite Biere nach Pilsner Brauart. Dazu gibt es fast täglich tschechische Musik vom Band oder live auf der Bühne.
In all den Jahrzehnten seines Bestehens hat das Prager Gemeindehaus die eine oder andere Sanierung an der Fassade und im Inneren erlebt, zuletzt in den Jahren zwischen 1994 und 1997. Die Tschechen blicken stolz auf dieses Kleinod ihrer Geschichte und haben das Obecní dum im Jahr 1989 ganz zu Recht zu einem Nationaldenkmal erklärt.
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