Das Tanzende Haus in Prag ist ein aufsehenerregendes Bauwerk aus dem Jahr 1996. Der tschechische Architekt Vlado Milunic entwarf das ungewöhnliche Hochhaus in Zusammenarbeit mit seinem kanadischen Kollegen Frank O. Gehry. Das moderne Bürogebäude am Ufer der Moldau ist heute Sitz mehrerer multinationaler Firmen. Auch eine Galerie und ein Restaurant sind im Haus etabliert. Die außergewöhnliche Architektur macht das Tanzende Haus (tschechisch Tancící dum) zu einem der wichtigsten Wahrzeichen des modernen Prag.
Entstehungsgeschichte dieses Kunstwerks
Zur Zeit der Entstehung des Tanzenden Hauses war Václav Havel amtierender tschechischer Präsident. Er erhoffte sich von dem Gebäude, das als Kulturzentrum geplant war, wichtige kulturelle Aufbrüche. Er selbst hatte jahrzehntelang seinen Wohnsitz in der Nähe des Baugrundstücks und war ein großer Unterstützer des Projekts.
Alle Prager Sehenswürdigkeiten finden Sie hier
Der geschwungene Bau entstand von 1994 bis 1996. Der Vater der Idee war der Architekt Frank O. Gehry. Er war damals schon bekannt für seine zahlreichen ähnlich schwungvollen Objekte.
Bis 1945 stand am jetzigen Standort dieses ungewöhnlichen Baukomplexes ein Wohnhaus. Durch ein Versehen zerstörten amerikanische Bomber kurz vor Ende des 2. Weltkriegs dieses Haus. Wegen einer Uneinigkeit der Regierung lag das Grundstück, umgeben von Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, fast 50 Jahre lang brach. Im Jahr 1986 keimte der Plan, an dieser Stelle ein Zentrum für kulturelle Aktivitäten mit Bibliothek, Café und Theater zu schaffen. Vaclav Havel und der tschechische Architekt Milunic fanden jedoch keine Investoren.
Nachdem Frank O. Gehry seine ganz eigenen Ideen zur Gestaltung eingebracht hatte und nachdem doch ein Investor gefunden war, konnte das Gebäude realisiert werden. Die Versicherungsgesellschaft Nationale Nederlanden kaufte den Baugrund und finanzierte das Projekt. Am 3. September 1994 wurde der Grundstein gelegt.
Architektur und Design
Im Jahr 1997 erhielt das Gebäude von der amerikanischen Zeitschrift The Time deren Designerpreis. Nach einer Umfrage wird es als eines der fünf hervorragenden Gebäude in Tschechien betrachtet, die innerhalb der vergangenen 90 Jahre erbaut wurden. Das Gebäude umfasst 5.400 Quadratmeter. Die Gesamtkosten summierten sich auf neun Millionen Dollar. Als Grundmaterialien wurden überwiegend Stahl, vorgefertigte Betonteile und Glas verwendet.
Der Standort unmittelbar am Moldauufer und direkt neben einer Brücke setzte besondere Maßnahmen für Stabilität und Statik voraus. Das Tanzende Haus ruht auf einer Betonplatte, die durch eine große Anzahl von Betonpfeilern stabilisiert und gestützt wird. Die geschwungene Seite des Bauwerks, die an eine Tänzerin erinnert, ist mit 99 extra angefertigten und gebogenen Fassadenelementen verkleidet. Der eher statische Teil des Hauses, der den Mann symbolisieren soll, besitzt eine eigenwillig geformte Turmspitze. Die beschichteten Röhren aus Edelstahlgewebe stellen den Kopf der Medusa dar. Mit einer Höhe von neun Etagen ragt das Tanzende Haus leicht über die umgebenden Gebäude hinaus.
Die beiden Teile des Tanzenden Hauses sind auf den einzelnen Stockwerken nicht miteinander verbunden. Im Erdgeschoss reichen die geschwungenen Stützen bis an den Straßenrand und bilden auf dem Bereich des Fußwegs eine angedeutete Arkade. Sechs der Etagen fungieren als Büroräume für verschiedene Firmen. Im obersten Geschoss mit seinen nahezu 700 Quadratmetern gibt es ein französisches Restaurant mit Dachterrasse. Im Erdgeschoss und im Untergeschoss sind Konferenzräume, eine Bar und eine Galerie angesiedelt.
Inspiration der Planer
Dieses Objekt kann als Kind des politischen Umschwungs des Jahres 1989 betrachtet werden. Das Haus mit seiner unvergleichlichen schrägen Struktur scheint tatsächlich am Moldauufer zu tanzen. Es symbolisiert die Idee eines neuen Aufschwungs der Stadt. Es verkörpert den Wunsch nach einer erneuerten Sprache, die sich nicht mehr nach den Regeln der Vergangenheit richtet.
Nach den Vorstellungen der Planer und Architekten soll das Gebäude einen rationalen Dialog darstellen, und zwar den Dialog zwischen einem statisch vertikalen Komplex und einem dynamischen Konzept, das sich im gesellschaftlichen Umbruch befindet. Die Assoziation mit einer Tänzerin, die sich grazil im gläsernen Faltenkleid an den aufrecht stehenden Herrn mit Hut anlehnt, liegt nahe. Daher erhielt das Bauwerk auch den Spitznamen Ginger und Fred nach Ginger Rogers und Fred Astaire.
Reaktionen auf dieses Bauwerk
Bei seiner Fertigstellung im Juli 1996 löste der dekonstruktivistische Bau eine hitzige und leidenschaftlich geführte Diskussion aus. Keines der anderen neuen Bauwerke in Prag erfuhr je solch kontroverse Debatten. Für die Kritiker bedeutete das Tanzende Haus eine Zerstörung und Veränderung des gesamten Altstadtensembles und einen enormen Kontrast zum historischen Kern der tschechischen Hauptstadt.
Die eindeutig moderne Wirkung stand für sie im krassen Gegensatz zu den bedeutenden historischen Sehenswürdigkeiten wie Altstädter Ring, Karlsbrücke und Veitsdom. Außerdem störten sie sich an der Überbauung des Bürgersteigs, weil dadurch eine Unfallquelle entstanden sei. Für die Befürworter des Bauprojekts war die mutige moderne Architektur willkommen, die eine große Bereicherung der Stadt bedeute. Inzwischen ist diese Diskussion weitgehend abgeflaut.
Bildquelle: © luciano mortula – Fotolia.com