Prag, mit ihrer reichen Geschichte, den malerischen Kopfsteingassen, der Moldau und der Karlsbrücke war schon immer Schauplatz faszinierender Mythen und Legenden. Ob die Geschichte vom Golem von Prag oder warum Prag heute genau an der Stelle steht, die die slawische Prinzessin Libue einst prophezeite – die Sagen sind jahrhundertealt und doch werden sie auch heute noch von Generation zu Generation weitergegeben. Sie tragen wesentlich zum Charme dieser einzigartigen Mittelalterstadt bei! Werfen wir einen Blick auf die bekanntesten Legenden, die sich um das wunderschöne Prag ranken.
Die Legende der Geburtsstunde Prags
Warum steht Prag heute da, wo es steht? Der Legende nach ist der Grund dafür die wunderschöne und weise slawische Prinzessin Libue, die im 7. Jahrhundert gemeinsam mit ihrem Gatten Prinz Premysl von den Hügeln des Vyehrad aus friedlich regierte. Prinzessin Libue hatte eine prophetische Gabe und eines Tages überkam sie eine Vision. Sie stand auf einer Klippe hoch über der Moldau und richtete ihren Zeigefinger auf einen bewaldeten Hügel auf der anderen Seite.
„Ich sehe eine große Stadt, deren Ruhm bis zu den Sternen reichen wird!“, soll die schöne Prinzessin gehaucht haben. Sofort danach gab Sie den Auftrag, an der Stelle ein Schloss zu errichten. Allerdings hatte dort ein Mann gerade damit begonnen, die Schwelle zu einem Haus zu legen. Schwelle heißt auf Tschechisch „Prah“ und so sollte dann auch die entstehende Stadt heißen. Doch es vergingen erst noch 200 Jahre, bis die Premyslid-Dynastie Prag tatsächlich zu ihrem offiziellen Sitz werden lassen sollte.
Der Golem von Prag
Wohl keine Legende ist so bekannt, wie die des Prager Golems – und von keiner gibt es wahrscheinlich so viele verschiedene Versionen! Die Geschichte um Rabbi Loew und seinen Golem aus Lehm ist nicht nur ein wichtiger Teil der jüdischen Geschichte von Prag, sondern inspiriert noch heute Bücher und Filme.
Im 16. Jahrhundert kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den jüdischen und christlichen Bewohnern Prags. Dabei kam es auch zu An- und Übergriffen auf die jüdische Gemeinde. Rabbi Löw, einem respektierten Mitglied der Gemeinde, soll im Traum die Idee zum Golem gekommen sein. Am nächsten Tag ging er mit seinem Lehrling zu einer Lehmgrube an der Moldau und formte dort aus Lehm den Golem. Dank uralter Rituale und Beschwörungen soll der Golem zum Leben erwacht sein – ohne eine menschliche Regung in seinem Gesicht, aber mit glühend roten Augen.
Der Golem saß die meisten Zeit regungslos im Hintergrund von Rabbi Loews Arbeitszimmer, doch nachts patrouillierte der riesige Golem die Straßen, um die Bewohner zu schützen und Angreifer zu vertreiben. Um dies zu veranlassen, schrieb Rabbi Loew den Befehl auf einen Zettel und schob ihn dem Golem in den Mund.
Was passierte mit dem Golem?
Und hier scheiden sich die Geister bei dieser Legende. Die Einen sagen, der Golem habe seine Arbeit getan, die Angriffe gegen die jüdische Bevölkerung aufgehört und Ruhe sei eingekehrt. Daraufhin habe Rabbi Loew den Golem mit seinem Lehrling wieder an den Fluss gebracht und ihn zurück an die Elemente übergeben. Doch ein Teil seiner Überreste soll auch heute noch in der Dachstube von Rabbi Loew verborgen liegen.
Einer anderen Sage nach vergaß Rabbi Loew eines Tages eine Beschwörungsformel im Mund des Golems, der daraufhin Amok lief und wahllos Leute umbrachte. Um ihn zu stoppen, wurde er komplett vernichtet.
In einer dritten Variante dieser Legende soll übrigens Rabbi Loews Sohn den Golem wiedererweckt haben. Und wer weiß, vielleicht ist er ja immer noch irgendwo da draußen und beschützt die Bewohner Prags?
Dalibors Geige schweigt
In einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten, der Prager Burg, steht der Gefängnisturm von Daliborka an der Goldenen Gasse und seinen Namen verdankt er einer weiteren Legende, einer traurigen diesmal – die von Dalibors Geige.
Dalibor von Kozojedy war – je nachdem von welcher Seite aus man es betrachten will – entweder ein hinterhältiger, gieriger Raubritter, oder ein gerechter Edelmann, der geknechtete Bauern unterstützte. Auf jeden Fall landete der böhmische Ritter im Gefängnisturm von Prag, als sein erster Insasse überhaupt.
Während seiner Gefangenschaft kam er in den Besitz einer Geige und soll sich selbst in der Einsamkeit seines Turms das Spielen beigebracht haben. Schon bald lockte sein herzergreifendes Spiel auf der Geige Tag für Tag mehr Zuhörer an, die sich rund um den Turm versammelten. Die Verehrung für seine Musik war unter der Bevölkerung so groß (oder war es die Bewunderung darüber, dass er sich gegen den Grundherren der Bauern aufgelehnt hatte?), dass die Regierungsoffiziellen kein Hinrichtungsdatum bekannt gaben, um Unruhen zu vermeiden.
Doch als Dalibors Geige für immer schwieg, konnte man dies schlecht vor den Einwohnern Prags verbergen – und sie waren nicht begeistert!
Die Geschichte rund um Dalibor und seine Geige inspirierte auch den bekannten tschechischen Komponisten Bedrich Smetana zu seiner gleichnamigen Oper „Dalibor“ 1868.
Der silberne Fisch – oder: „Des Einen Pech, des Anderen Glück“
Eine Legende mit einer fragwürdigen Moral ist die vom silbernen Fisch und dem Händler Myslik. Der wohlhabende Mann musste Prag nach der Schlacht am Weißen Berg verlassen und wusste nicht, was er mit seinem ganzen Silber machen sollte. Kurz entschlossen schmolz er all seine Münzen und Schmuckstücke zu einem großen Fisch aus Silber zusammen. Mit seiner Flucht aus Prag versteckte er den Fisch in einer der Wände seines Hauses und verließ es für immer.
Viele Jahre später, als längst ein neuer Pächter in Mysliks Haus lebte, überkam auch diesen zunächst das Unglück: die Stadtväter zwangen ihn, das alte und verfallende Haus entweder neuaufzubauen, oder das Grundstück für immer zu verlassen. Der alte Mann war verzweifelt, denn das Geld für einen Neuaufbau hatte er nicht. Traurig wollte er gerade sein Zuhause hinter sich lassen, als plötzlich der silberne Fisch aus einer beschädigten Wand fiel. Mit dem Geld war die Restauration gesichert und der alte Mann konnte sein Haus behalten.
Der Kopflose Tempelritter
Gruselig wird es bei der Legende um den kopflosen Tempelritter, der nachts auf einem weißen Pferd durch die Kopfsteingassen der Prager Altstadt reiten soll – mit seinem Kopf unter dem Arm! Jede Nacht in der Geisterstunde soll der Reiter die Altstadt unsicher machen und schon von weitem kann man das rote Kreuz auf seiner Brust erkennen.
Es heißt, wenn man dem kopflosen Ritter begegne, müsse man sich erst seinem riesigen Schimmel mutig in den Weg stellen, dem Ritter sein Schwert entreißen und es ihm durch das Herz stoßen, um selbst mit dem Leben davon zu kommen.
Die ermordete Nonne von St. Agnes
Fast noch gruseliger, aber vor allem trauriger, ist die Sage der ermordeten Nonne. Diese war die Tochter eines reichen Geschäftsmannes, die sich unsterblich in einen armen Heckenritter verliebte. Der Vater war erbost über die Aussicht, seine Tochter einem armen Ritter zu übergeben und plante, sie stattdessen ins Kloster von St. Agnes zu schicken.
Doch noch bevor sie ins Kloster abgeschoben werden konnte, rannte das Mädchen davon, um ihren Angebeteten zu heiraten. Doch ihr Vater fand das Mädchen und erstach sie in seiner Wut.
Seitdem, so heißt es, kann man die weinende Nonne nachts rund um St. Agnes sehen. Mal herzzerreißend schluchzend, mal erbost schreiend, aber immer blutüberströmt.
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